Die Pflanze Nr. 1 – auf die der Bio®evolutionsfonds besonders stolz ist: ein übermenschengrosser phytischer Organismus, der einen Menschen in sich aufnehmen kann. Begibt sich ein Mensch in das kelchförmige Wesen, so umschliesst es den Menschen rasch völlig, indem es sich leicht zusammenzieht und die Innenhaut seines Kelches an die Haut der Person schmiegt. Die Oberfläche des Kelchinneren sondert Sekrete ab, die die Haut des Menschen durchlässiger machen und feine, sich ausstülpende Microrhizome in das Gewebe eindringen lassen. Diese Rhizome wachsen rasch in den menschlichen Organismus hinein und durchdringen sein Gewebe. Gleichzeitig beginnt ein intensiver Stoffaustausch zwischen den verbundenen Organismen auf Zellebene. Darauf beginnt der phytische Organismus auf molekularer Ebene die Gene zu deaktivieren und eigene hochaktive Plasmide in den fremden Zellkern einzuschleusen. So kommt es auf verschiedenen Ebenen zu einer Vermischung des Menschen mit dem phytischen Wesen. Die Grenzen zwischen beiden Organismen lösen sich auf. Es kommt zu einer Verschmelzung zweier Individuen.
Der erste Bio®evolutionsfonds (Bi®ef) und eBio®
(Unterstützung der zukünftigen biologisch-ästhetischen®evolution durch das Kapital der Gegenwart)
Die Gründung eBio®s findet um die Jahrtausendwende statt. Der Diskurs über Biologie, Soziobiologie und postkapitalistische Staatsmodelle führt immer stärker zu einer klaren Vision von einem Lebensmodell, das dem biologischen Kern der Menschen und der biologischen Welt zu entsprechen scheint. Aufgrund einer Initiative europäischer Gesellschaftstheoretiker, Künstler, Biologen und anderer Fachleute wird ein Staatsmodell entwickelt. Die Möglichkeiten der gegenwärtigen Zivilisation als Basis nehmend, wird ein Zusammenleben skizziert, bei dem die Vorherschaft des Menschen in eine demütige Verpflichtung den biologischen Bewegungen gegenüber verwandelt wird. Ein Evolutionsschub steht bevor. Neue Lebewesen und größere Chancen für herkömmliche Lebewesen werden das Resultat sein.
Der Bio®evolutionsfonds wird dieses Vorhaben finanzieren. So beginnt die Entwicklung von Konzepten. Tagungen finden statt. Versuchsgemeinden und Modellprojekte werden gegründet. Diese Vorstöße werden in der Gründung eBio®s münden. Schließlich wurde ein Gebiet gefunden, das kaum besiedelt ist und das von dem Staat, in dem dieses Gebiet liegt, gerne für die Errichtung des Musterstaates zur Verfügung gestellt werden wird. Sollen doch die meisten Einwohner aus eben jener Region kommen und soll mit Hilfe biologischer Verfahren ein kaum nutzbares Sumpfgebiet in fruchtbares Land umgewandelt werden. Die Einwohner werden von einem Gremium ausgesucht. Sie bewerben sich freiwillig. Auch ein Großteil der Jury will nach eBio® ziehen.
Im Land der Pflanzen, Tiere und Menschen
Die erste Biokratische Republik (eBio®) liegt mit grosser Wahrscheinlichkeit in einem ehemaligen Gebiet der russischen Föderation. Ihre Fläche – 20 000 Quadratkilometer – erstreckt sich von Nord nach Süd über 56 Kilometer und von West nach Ost über 65 Kilometer. Das gesamte geplante Gebiet von eBio® liegt in der ehemaligen, kaum besiedelten Sumpflandschaft der Belorussischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Das Gebiet südlich von Minsk ist als Pripjet-Sümpfe bekannt. eBio® erstreckt sich nach der Planung über die ehemaligen nicht urbar gemachten Sumpfgebiete Belorusslands. In der historisch verhältnismäßig kurzen Zeit von 50 Jahren lässt sich eBio® aus einem rückständigen Sumpfland zu einem Modell für das zukünftige Leben auf der Erde entwickeln.
Die Hauptstadt von eBio® wird Planta. Die gesamte Landschaft ist biologisch gestaltet. Typisch für die neu zu schaffende eBio®ische Landschaft ist kleinflächiges, hügeliges Flachland. Das Gebiet wird von bodendiversifizierenden Organismen in eine fruchtbare, abwechslungsreiche Landschaft verwandelt. Der Boden wird mit Organismen durchsetzt. Kleinste Destruenten und meterlange Plattwürmer verändern die gesamte Bodenphysik, ‑chemie und ‑biologie. So wird aus armer Landschaft eine fruchtbare Stätte vielfältigen Lebens. Ursprünglich war die belorussische Landschaft weites, hügeliges Land. Die eBio® umgrenzenden Landschaften werden in einem Werbetext so beschrieben: »Hinter einem dunklen Wald erstreckt sich ein Roggenfeld, auf das eine flachwellige, nicht selten morastige Wiese folgt. Sie durchzieht ein Fluss oder ein See, der sich hinter dichtem Ufergestrüpp verbirgt. Und wieder beginnt der grüne Wald.«
Der Boden eBio®s ist vorwiegend Rasenpodsol, Lehm, sandiger Lehm und Sand. Das gesamte Gebiet war vor der Bodenveränderung überfeuchtet. eBio® liegt im gemäßigten Klimagürtel, auf der Linie der Westwinde. Das Seeklima geht in kontinentales Klima über. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei sieben Grad. Der Winter dauert ungefähr drei, der Frühling weniger als zwei, der Sommer etwa fünf und der Herbst höchstens zwei Monate. Die jahresdurchschnittlichen Niederschläge betragen 500–700 Millimeter, was für Landwirtschaft günstig ist. Durch das Gebiet fließt der Strom (früher Pripjet genannt). Der Strom und seine Zuflüsse gehören zum Schwarzmeer-Becken. Das Strom-System fließt ruhig und gemächlich, ohne auf nennenswerte Hindernisse zu stoßen. Die Seen des Gebietes zeichnen sich durch kristallklares Wasser, malerische, vorwiegend waldige Ufer aber auch Strände aus. Es herrschen Eichen, Fichten und Weißbuchen sowie Erlen und Eschenwälder vor. Hier gibt es auch Ulmen, Linden Apfel und Birnbäume, außerdem mächtige Torfvorkommen.
Die wenigen Menschen, die ursprünglich das Gebiet eBio®s bewohnten, sind Ostslaven. Fünfzig Jahre nach der Gründung hatte die Republik 800 000 Einwohner. Die nicht zahlreiche Urbevölkerung der Region sprach Belorussisch. Diese Sprache ist in ihrem grammatischen Aufbau und der lexikalischen Struktur dem Russischen und Ukrainischen sehr verwandt. Aus Respekt vor der ursprünglichen Kultur der Gegend wurde die erste Sprache eBio®s Belorussisch.
In der historisch verhältnismäßig kurzen Zeit von 50 Jahren wird sich eBio® aus einem rückständigen Sumpfland zu einem Modell für das zukünftige Leben auf der Erde entwickeln. Diese stetige, dynamische Entwicklung, deren sichtbares Zeichen dieses Gebilde sein wird, wird es ermöglichen, dass die Organismen in immer kürzerer Zeit zu immer grundlegenderen Veränderungen gelangen. Nach Epochen des gemächlichen Wandels hat die Natur sich im Menschen ein Werkzeug geschaffen, das das von ihr aufgebaute und lange aufgestaute Potential an Lebensformen zur Entfaltung bringen kann. Nun ist es geboten, diese Zukunft, das neue Leben, Gegenwart werden zu lassen. Die natürliche wie die gesellschaftliche Evolution steuern dem Nutzen der Welt und dem Glück ihrer Bewohner entgegen.
Die Religion verschwindet. Dieses Mittel zur Besänftigung und Beruhigung der Menschenmassen wird nicht länger benötigt. Damit verschwindet auch die durch die Religion gerechtfertigte Moral. Ehe wird Partnerschaft etc. Das Zusammenleben der Menschen, Tiere, Pflanzen wird nicht nach christlichen Vorstellungen gestaltet, sondern auf der Basis der Vielzahl der existierenden und historischen Gesellschaftsentwürfe und der innovativen Gedanken und Ideen entwickelt.
In dieser Landschaft wird die Sinnlichkeit freigesetzt und das gesellschaftliche Chaos abgelöst von glückseligen Menschen.