künstlerhaus bethanien, berlin












anlässlich der teilbesetzung des künstlerhauses bethanien und der frage nach dessen zukunft lädt matysik mit der initiative zukünftige lebensformen (izl) in der tradition partizipatorischer kunstpraxis zu workshops ein, mit denen er hinsichtlich der vision von einer aktiven evolution einen kollektiven entwicklungsprozess anstößt, bestimmt von den individuellen vorstellungen und wünschen der teilnehmer. ihnen werden diverse materialien zur konkreten formulierung ihrer ideen und utopien bereitgestellt, die ergebnisse im anschluss ausgestellt. diskurserweiternd werden videos präsentiert: u.a. der film biorevolution, in dem die protagonisten fragen gesellschaftlicher verantwortlichkeit nachgehen, und die dokumentation freude im wald über ein experiment zur erprobung alternativer lebensweisen.
in response to the partial occupation of the künstlerhaus bethanien and its uncertain future, matysik and the initiative zukünftige lebensformen (izl) – in the tradition of participatory art practice – invite people to take part in expanding upon his vision of an active evolution through workshops. he thus initiates a collective development process defined by the individual imaginations and wishes of the participants, who are provided with diverse materials for the concrete formulation of their ideas and utopias. the results are subsequently displayed. videos are also presented to broaden the discourse, including the film biorevolution, in which the protagonists pursue questions of societal responsibility, and the documentary joy in the woods about an experiment exploring alternative ways of life.
die initiative zukünftige lebensformen (izl) richtet
ihre zentrale im künstlerhaus bethanien ein.die initiative ist zu den öffnungszeiten vor ort und führt projekte mit gruppen aus der bevölkerung durch. unangemeldete besucher/innen sind willkommen.
19.00–20.00 uhr screening: ist natur sinnvoll? interviews der izldie izl ist eine nichtstaatliche organisation, da herkömmliche nationalstaatliche institutionen der interessensvermittlung an ihre grenzen gelangt sind. über die neue form der demokratie brechen wir auf zu einer neuen biologisch fundierten gesellschaft.
die izl versteht sich als eigene biologisch-zoologische sozietät, die ausserhalb der freiheitlich-demokratischen grundordnung liegt. sie nutzt die einladung der künstlerhaus bethanien gmbh, um im studio 3 statt einer ausstellung einen ausserstaatlichen raum einzurichten, in dem sie ihre eigenen lebensvorstellungen etabliert.
- wir rufen alle an der kritischen auseinandersetzung mit (biologischen) utopien interessierte auf, sich mit der izl in verbindung zu setzen, die zentrale zur förderung des wissens und meinungstransfers zu nutzen und somit wildes wuchern von neuem leben realität werden zu lassen. ziel wird es sein, herauszufinden, wie es jenseits der noch bestehenden grenzen weitergehen kann.
- täglich werden gruppen modelle für lebensformen der zukunft erarbeiten. wir bieten arbeitsplätze für 16 personen. in 2 stündigen oder 4 stündigen workshops werden die gruppen ihre vorstellungen in entwürfe umsetzen. die entwürfe werden dann allen besucher/innen vorgestellt.
- wir rufen auf, zu uns zu kommen und natur-emanzipatorische ansichten kennenzulernen, alternativen zu konkretisieren und mitzuhelfen, eine andere welt zu ermöglichen.
- wir rufen auf, neue wege in der evolution zu ergründen, konzepte für die transformation der gesellschaft zu erarbeiten, massnahmen zur entwicklung der zukünftigen umwelt zu entwickeln.
- wir bieten so viel beteiligung und verantwortung wie möglich. die chance zur partizipation, zur erarbeitung von wissen, erfahrungen zu machen, entscheidungen zu treffen, und aktionen zu entwickeln. selbstorganisiertes (ein-)arbeiten vor ort (individuell oder in gruppen) sowie die teilnahme an praxis- oder erfahrungsorientierten workshops ist möglich.
die izl ist eine verknüpfung von selbstständig entwickelten angeboten mit unterschiedlichen schwerpunkten. in modulen theorie- sowie praxisbezogener workshops werden themen behandelt wie:
- organismen der postevolution
- modelle für zukünftige lebensformen
die izl verfolgt folgende ziele:
- erarbeitung und darstellung von entwürfen für eine neue zukunft.
- organisation von aktionen mit gruppen zur erarbeitung von entwürfen und zielen für eine neue zukunft.
- entwicklung von vorstellungen zu einer zukunft mit erweiterten lebensformen
dazu werden folgende methoden eingesetzt:
- realisierung von informationsveranstaltungen über neue lebensformen
- befragungen in form von videointerviews mit verantwortlichen personen von gesellschaftlich relevanten gruppierungen
- analyse der nicht-kommerziellen, unabhängigen, ökologischen, sozialen, gesellschaftlichen, kulturellen verbände, bewegungen, gruppierungen, die sich für eine grundlegend veränderte zukunft einsetzen.
die darstellung zielt auf einen vergleich der unterschiedlichen initiativen und bewegungen untereinander und zur izl. durch teilnehmende beobachtung im prozess der untersuchung ist es beabsichtigt, die untersuchten zu subjekten des prozesses werden zu lassen.
die izl versucht durch das gegeneinanderstellen unterschiedlicher methoden, sich widersprechender herangehensweisen, widerstreitender auffassungen das wissen um das leben zu erweitern. über die arbeit der izl sollen diese ansätze und gruppierungen in einen dialog treten und dadurch synergien entwickeln. die izl verfolgt keine kommerziellen interessen, sondern gemeinnützige soziale, kulturelle und wissenschaftliche zielsetzungen.
die izl sucht nach einem neubeginn.
die basis der izl liegt in der kunst. dadurch sind die kommunikationsstrukturen, die zu ihrer arbeit nötig sind, überwiegend auch künstlerisch. dennoch streben wir, seitdem es die izl gibt, ihre verknüpfung mit dem alltäglichen leben an. formen, in denen dies geschieht, waren bisher: veranstaltungen, seminare, gesprächsrunden, plena und konferenzen, wobei die jeweilige form von dem rahmen abhängig war. damit beansprucht die izl teil der gegenöffentlichkeit in der kunst zu sein.
die einrichtung der izl soll zu einer grundlegenden neuentwicklung einer bewegung führen. die vorausgehende aktivität soll als startpunkt für die geburt einer neuen bewegung dienen.
metamorphose statt revolution.
es gibt keine grenze zwischen unbelebter und belebter natur. die unterscheidung von rationalem und irrationalem ist beliebig. eine wesentliche aufgabe im 21. jahrhundert wird sein, den wert der natur an sich wieder zu entdecken und daraus auch normen abzuleiten.
mikroevolutionen sind mikrorebellionen. die eigentätigkeit der zellen lässt sich so beschreiben: soviel innen wie möglich, so wenig aussen wie nötig. die zellen schotten ihre eigentätigkeit als einzelne, also zur aussenwelt und zum menschen hin ab.
abhängigkeit von der natur verwandelt sich immer stärker in abhängigkeit von der gesellschaft. die absorbierende macht der gesellschaft höhlt die künstlerische dimension aus, indem sie sich an ihre antagonistischen inhalte angleicht. im bereich der kultur manifestiert sich der neue totalitarismus gerade in einem harmonisierenden pluralismus, worin die einander widersprechenden werke und wahrheiten friedlich nebeneinander koexistieren.
der alltag ist durch industrialisierung, konsumzwang und entfremdung pervertiert. werke sind waren. künstlerische produkte verfallen in der industrialisierten gesellschaft dem warencharakter. wie soll eine welt, deren misere in sozioökonomischen bedingungen gründet, durch ästhetische produktion überwunden werden, die warencharakter hat?
das funktionslose kunstwerk ist überflüssig. gegen konservierte kunst eine gemeinschaft des direkt erlebten augenblicks stellen. die wirklichkeit selber zum feld der ästhetischen aktivität werden lassen. das publikum muss zum produktiven akteur werden. treten wir aus der jetzigen gesellschaft aus.FREUDE im wald
durch praktisches erleben/selbstversuche alternative lebensweisen erproben/entdecken. es muss doch einen weg aus dieser kapitalistischen scheisse geben.
auf der suche nach alternativen lebensmodellen und sozialen utopien fordere ich die gruppe FREUDE auf, an einem einwöchigen projekt teilzunehmen.
6 tage aktion
datum: 1.8. bis 6.8.2006
ort: querumer forst, institut der tu braunschweig.
situation: wald und eingezäunter aussenbereich, viel platz, material, halle, kleine schlafräume, duschen.
alle teilnehmer/innen bleiben für die gesamte zeit zusammen.
es wird dort gelebt, gekocht, gegessen und geschlafen.
aufenthaltsbereich: wald des instituts oder gebäude (grosse halle und kleinere räume).tag 1: kommen, sich locker machen und nicht mehr weggehen.
die gesamte zeit zusammen bleiben. immer gefilmt werden können. keine auszeit.zentral sollte untersucht werden, was wir grundlegend anders machen wollen; in bezug auf die gesellschaftsform, in der wir leben, oder wofür wir uns einsetzen wollen. also wie wir leben wollen.
das ganze soll jeden tag auf 2 ebenen stattfinden.
- analyse und vermittlung. 10–11 uhr: jede/r soll die möglichkeit haben, seine utopie des miteinander vorzustellen und im gespräch mit den anderen zu entfalten.
- praxistest. 11–20 uhr: in form eines experiments werden die teilnehmer/innen sich den neu vorgestellten bedingungen gemäss verhalten.
im kurzzeitversuch werden wir ausprobieren, ob utopien gelebt werden können. das ganze wird durch die zugespitzte situation beschleunigt und soll nach der vermittlung in die »miteinander leben testphase« katapultiert werden.
am ersten tag wird gelost, wer wann dran ist. sechs leute, sechs tage. an jedem tag leben die anderen den utopischen ansatz von einer/einem aus der gruppe.
jede/r steckt einen tag lang den anderen den rahmen, in dem sie alleine für sich und mit den anderen leben müssen. somit hat jeder an einem tag die regie und die anderen machen mit.
alles wird ständig gefilmt, sofern es von interesse ist. es gibt keine auszeit, sondern am ersten tag steigt frau/man ein und am letzten tag ist für alle schluss.wir selbst sind die probanden in diesem experiment, es gibt keine ausseninstanz, nur die kamera zur dokumentation. schneiden, also auswerten kann zu einem oder mehreren filmen führen.
teilnehmer/innen experiment: thorsten bruch, andreas eschment, sebastian grätz, reiner maria matysik, marco olbrich, hartmut stockter.
kamera: sebastian neubauer.Körper
Innen, Draußen, Tag, NachtEs wirkt wie eine Initialzündung, sie beginnen zögerlich Dinge der Kultur zu zerstören. Werden immer wilder, haben Spaß, beobachten sich zuerst selbst dabei, aber die Lust am zerstören wächst. Das Inventar wird mehr und mehr verwüstet, am Ende ist es völlig zerlegt. Sie sind erschöpft.
Sie entkleiden sich in dem wilden Durcheinander. Sie beginnen sich kleine Kuhlen zu graben dann kriechen sie kopfüber dort hinein. Schließlich bauen sie aus den funktionslos gewordenen Teilen, Bruchstücken, zerrissener Kleidung etc. ein Großes nestartiges Gebilde (einen grossen Haufen mit einer Mulde in der Mitte in die weiche Gegenstände, zerrissene Stoffe, Zimmerpflanzen etc. gelegt werden) und legen sich gemeinsam hinein und schlafen eng beieinander, umschlungen.
Damit lassen sie die Kultur hinter sich. sie gehen nicht zurück zu einer frühen und ursprünglichen Natur, sondern machen einen Schritt zu einer aus Freiheit selbstgeschaffenen Natur. (falls das alles im Freien spielen sollte ebenso: Klamotten, etc. zerlegen, Mulde formen und darin liegen.)
Manchmal hört man die Reste ihrer Stimmen, von irgendwoher, von tief unten und oben, von draußen nach drinnen, von drinnen nach draußen.
Ich lege mich auf einen Stein und warte darauf, dass er etwas mit meiner Haut macht.
Ich schlafe eine Nacht auf einem Stein und seine scharfkantigen Riefen drücken sich mir schmerzhaft ins Gesicht.Ich benutze meine Hände nicht mehr. Das Essen reiße ich mit dem Mund von Sträuchern ab.
Ich kann nachts nicht mehr im liegen schlafen. Lehne mich an Bäume, halbwach, stets bereit aufzuspringen.
Ich ziehe in den Restwald. Weg von der Hütte, weg von dem, was in der Hütte ist, weg von dem, was die Hütte aus mir gemacht hat. Ich habe ein Dickicht vor mir und hinter mir. Jetzt ein neues Dickicht.
Ich will nach und nach alle Körperteile durch neue, alle Sinnesorgane durch neue ersetzen.
Aus der Bewegung in Abhängigkeit von der Sonnenstrahlungsintensität entsteht das Sehen. Aus dem Gleichgewichtsorgan das Hören. Welche Organe fehlen uns? Wie können wir sie herstellen?
Welche sind zu viel?Wie lang muss ich meinen Fuß ins Wasser halten bis er selbst (wie) flüssig wird, zu schmerzen beginnt, die Haut sich auflöst. Ich mich auflöse.
Ich fühle in meinem kopf eine Betäubung, wie in einer Trunkenheit; ein heftiges Herzklopfen befällt mich und nimmt mir die Luft. Ich kann im Gehen nicht mehr atmen und lasse mich unter einem Baum niederfallen. Dort verbringe ich eine halbe Stunde in einer unbeschreiblichen Erregung. Als ich wieder aufstehe, ist es feucht um mich. Ich habe Blut, Schleim, Schweiß verloren, ohne es zu bemerken.
Ich habe Hunger (und werde fähig grauenvoll zu denken und zu handeln). Wir werden Hunger körperlich erfahren. Essen wird existenziell werden. Wir werden Nahrung suchen müssen. Vielleicht halten unsere zivilisierten Körper das nicht lange aus. Aber vielleicht schaffen wir es und kommen durch und dann sind wir raus aus dem ganzen.
Ich ersetze meine Brüste durch Steine.
Ich trage jetzt Steine statt Brüste vor mir her. Und stolz.
Die Steine schneiden meine alten Brustwarzen ab.Komm in mich.
Ich öffne meine Augen nicht mehr. die anderen haben sie zugenäht. Für immer? Die anderen Sinne?
Test. Eins, zwei, Test. Ich spreche dich an. Du. Du. Ich teste dich. Du testest mich. Ich erkunde Blüte, Geruch, Form, Stachel, Schleim. Ich erkunde. Das was mich umgibt:
Ich bin mehr als die Steine, die ich bin.
Ich falle, ich habe verlernt zu gehen. Die anderen graben mich ein, nur mein Kopf, meine Füße, meine Hände schauen noch heraus. Sie pflanzen einen Baum, wo früher ein Bauch war.
Du wirst lebendig. Du dringst in meinen Körper ein. Darfst deinen Samen in mich legen.
Wir.
Mein Körper ist jetzt das, was er sieht.
Mein Körper ist jetzt das, was er hört. Mein Körper ist jetzt das, was er schmeckt. Riecht. Mein Körper ist sein eigener Gestank, als er beginnt, zu verfaulen.
Ich bin schwanger. Mein Kind soll aus mir herausfallen in deine Hände.
Ich lege meinen Bauch an deine Haut, damit das Kind in dich hineingedrückt wird. Nehm es mir ab. Lass es durch meine Bauchdecke in deinen Körper.
Das Kind wird teil einer zukünftigen Lebenswelt.